Mit Technik und Herz: Rehkitzrettung in St. Stefan im Rosental
By Yvonne Gerster
11. Juni 2025
Ein frühsommerlicher Morgen in St. Stefan im Rosental. Die Luft ist kühl, das Gras noch feucht vom Tau. Als unser Team um 6:00 Uhr eintrifft, steht fest: Heute zählt jede Minute. Denn mit dem ersten Sonnenlicht beginnt auch die Gefahr – für Rehkitze, die in den Feldern liegen, unsichtbar für das bloße Auge.
Warum Rehkitze besonders gefährdet sind – und wie Drohnen helfen können
Rehkitze werden in den ersten Lebenswochen oft von ihren Muttertieren gut versteckt im hohen Gras abgelegt. Dort liegen sie nahezu reglos – ein angeborenes Schutzverhalten gegenüber Fressfeinden. Genau dieses Verhalten wird ihnen jedoch zum Verhängnis, sobald landwirtschaftliche Maschinen wie Mähwerke zum Einsatz kommen. Sie flüchten nicht – selbst bei hoher Lautstärke. Jedes Jahr sterben so tausende Jungtiere einen vermeidbaren Tod.
Hier setzt die Drohnentechnologie an: Mithilfe einer DJI Matrice 300 RTK und der hochauflösenden H20T-Kamera wird im sogenannten Split View (dabei werden Wärmebild- und RGB-Kameraansicht gleichzeitig nebeneinander dargestellt) ein strukturiertes Suchraster abgeflogen. Der Flugverlauf wird digital dokumentiert – so bleibt kein Abschnitt unbeachtet. Der/die Drohnenpilot:in beobachtet dabei kontinuierlich das Wärmebild in Kombination mit der RGB-Kamera. Wird eine potenzielle Wärmequelle erkannt, wird manuell näher herangeflogen und die Flughöhe auf etwa 10 bis 20 Meter herabgesenkt. So kann klar verifiziert werden, ob es sich um ein Rehkitz handelt – oder etwa um einen Fasan oder ein ausgewachsenes Reh. Denn diese Tiere flüchten in der Regel, sobald sie menschliche Nähe oder Maschinenlärm wahrnehmen. Rehkitze hingegen bleiben regungslos – und wären ohne technisches Hilfsmittel kaum auffindbar.
Präzision und Zusammenarbeit: Erfolgsfaktor Team
Sobald ein Rehkitz erkannt wird, beginnt die koordinierte Rettung: Per Funk (Walkie-Talkie) wird das Bodenpersonal informiert. Die Drohne verbleibt schwebend über dem Tier, sodass die Helfer:innen gezielt und vorsichtig zur Fundstelle geleitet werden können – oft unterstützt durch die visuelle Einschätzung des Operators, der aus der Luft nicht nur das Tier, sondern auch die sich nähernden Helfer:innen sieht.
Diese präzise Zusammenarbeit ist nur durch das Zusammenspiel aller Beteiligten möglich: Jägerschaft, Landwirt:innen, erfahrene Tierschützer:innen und freiwillige Helfer:innen ergänzen sich vor Ort mit technischer Expertise und Ortskenntnis – für die Tiere zählt am Ende vor allem, dass jede Bewegung sitzt und jeder Handgriff abgestimmt ist.
Zwei Leben gerettet – und viele Herzen berührt
Bei diesem Einsatz in St. Stefan im Rosental wurden zwei Rehkitze entdeckt. Eines davon war bereits etwas älter und konnte aufgrund seiner Mobilität nicht eingefangen werden – es wich den Helfer:innen gezielt aus. Die Drohne blieb jedoch in der Luft und ermöglichte es, das Kitz bis zum Waldrand zu begleiten. Dort konnte beobachtet werden, wie es auf das wartende Muttertier traf. Erst diese eindeutige Wiedervereinigung markierte den Moment, in dem die Rettung als gelungen bewertet wurde.
Das zweite Rehkitz war deutlich jünger, etwa ein bis zwei Wochen alt. Es wurde vorsichtig geborgen, in eine Transportbox gesetzt und im Beisein erfahrener Helfer:innen und Jäger:innen in sicherem Abstand zur Gefahrenzone, aber innerhalb des Suchradius der Mutter am Waldrand wieder freigelassen. Die Auswahl des Freilassungsorts ist dabei entscheidend – zu nahe an Menschen und Maschinen droht Gefahr, zu weit entfernt droht der Kontaktverlust zur Mutter. Hier zählt Erfahrung – und Einfühlungsvermögen.
„Als ich das kleine Kitz in den Wald freilassen durfte, war das einer dieser seltenen Momente, in denen man spürt, dass alles zusammengepasst hat – Technik, Natur, Menschen. Es war still – und gleichzeitig sehr bewegend.“
– Kordula, freiwillige Helferin
Technik im Dienst des Tierschutzes – und jede:r kann helfen
Einsätze wie dieser zeigen eindrucksvoll, was möglich ist, wenn moderne Technologie auf Engagement, Erfahrung und Zusammenarbeit trifft. Der Landwirt vor Ort zeigte sich überaus dankbar, ebenso wie die Jägerschaft, die aktiv involviert war. Auch erfahrene Rehkitzretter:innen aus dem Großraum Graz waren eingebunden und trugen wesentlich zum Gelingen bei.
Wer sich ebenfalls für die Rehkitzrettung engagieren möchte, ist herzlich willkommen: Die Stadt Graz koordiniert beispielsweise Schulungen und Einsätze für Freiwillige. Denn der Schutz junger Wildtiere ist eine gemeinsame Verantwortung – und jede helfende Hand zählt. Weitere Infos und Mitmach-Möglichkeit: Stadt Graz – Rehkitzrettung
Leitfaden-Update zur UAS-gestützten Detektion von Wildtieren in Arbeit
Aktuell überarbeiten wir unseren Leitfaden zur UAS-gestützten Wildtierdetektion vor Mäharbeiten. Die kommende 4. Auflage wird sich besonders auf Best Practices und gezieltes Training konzentrieren – damit zukünftige Einsätze noch effizienter und sicherer ablaufen können.
Die 3. Auflage des Leitfadens für UAS-gestützten Detektion von Wildtieren vor Mäharbeiten finden Sie hier: https://airlabs.at/update-befliegung-von-wiesen-zur-wildtier-bzw-rehkitzdetektion-vor-maeharbeiten/